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Zusammenarbeit mit Bertram Schrecklich.

 

Die Idee mithilfe von Bügelperlen Kunst zu machen, hatten wir zusammen mit unserer Tochter Gloria vor knapp zwei Jahren, allerdings ließen andere Kunstprojekte, berufliche und familiäre Verpflichtungen eine Umsetzung zunächst nicht zu. Das bei Kindern beliebte Bastelmedium übte einerseits aufgrund von assoziativen, aber auch optischen und nostalgischen Faktoren einen besonderen Reiz auf uns aus. Andererseits gestaltete sich die praktische Umsetzung als größere Herausforderung, als vorab angenommen. Neben einer ruhigen Hand und Fingerspitzengefühl war hauptsächlich ein gutes Gespür für Farben notwendig. Bügelperlen haben bisher keine nennenswerte Rolle in der Kunst gespielt, weshalb das Medium in diesem Kontext also als unvorbelastet verstanden werden kann. Ein zentraler Grund dafür sind wohl die enormen Einschränkungen, welche die Arbeit mit diesem sperrigen Medium prägen. Die Form der Steckplatten, die Anordnung der Stecker darauf, sowie die Größe und Farbe der Bügelperlen sind normiert und limitiert, weshalb detailgenaue Darstellungen gar nicht, bzw. nur bedingt möglich sind. Unser Anspruch an die Bügelperlenbilder war deshalb auch vielmehr der, dass wir uns farblich und kompositionell an die Vorlagen annähern.
Aufgrund der Konnotation von Bügelperlen mit Kinderspielzeug war es uns ein besonderes Anliegen das Spannungsfeld zwischen den Lebenswelten von Kindern und jenen von Erwachsenen zunächst freizulegen und in weiterer Folge zu hinterfragen. Dazu haben wir uns für die Abbildung von insgesamt zehn Motiven entschieden, die entweder ob ihrer durchaus kontroversen, polarisierenden, und auch vulgären Wirkung oder referentiellen Symbolkraft (sowohl Portraits bekannter politischer Vertreter, religiöser Würdenträger, historischer Persönlichkeiten, als auch Abbildungen historischer Ereignisse, skandalöse Kunstwerke, lebensverachtende Massenvernichtungswaffensysteme, oder plumper Pornografie), emotional rezipiert und diskutiert werden, entschieden.. Manche der von uns abgebildeten Inhalte und sogar manche der Abbildungen selbst waren, oder sind zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen geografischen Orten verboten gewesen, bzw. unterlagen oder unterliegen einer bestimmten Altersfreigabe. Trotz, oder gerade ob dieser repressiven und/oder autoritären Vorgehensweise gegenüber entsprechendem Zuwiderhandeln, haftet diesen Inhalten der Reiz des Verbotenen an, wodurch sich die Imaginationen derart tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben, dass einige wenige optische Indikatoren ausreichen, um das jeweilige Motiv identifizieren zu können. Unsere werkstoffbedingt verpixelten Bügelperlenbilder illustrieren diesen Sachverhalt mitunter eindrucksvoll. Je gängiger dem Rezipienten das jeweilige Motiv ist, desto klarer tritt es trotz Verfremdungsmaßnahmen zutage. Diesen Inhalten, die symbolisch die Lebenswelt der Erwachsenen und die damit einhergehende Verantwortung illustrieren sollen, stellen wir eine einzelne moralisch und ideologisch unbedenkliche Darstellung gegenüber, die die Unschuld, Naivität, Unsicherheit und Schutzbedürftigkeit von Kindern wiedergeben soll. Wir kamen nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss, dass kein Motiv diese infantilen Charakteristika unmissverständlicher transportiert als ein Manga → „Kako Kurai Gerät in Panik“ heißt das Werk. Insbesondere die Mimik der Charaktere wird als ein bevorzugtes narratives Instrument genutzt, um die RezipientInnen nonverbal über die seelische und/oder mentale Verfassung der Figur Auskunft zu geben. Nahaufnahmen von Gesichtern sollte deshalb auch stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es empfiehlt sich auch dem Gesichtsausdruck unserer Manga Abbildung etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken, denn der verdeutlicht, trotz des werkstoffbedingten Verfremdungseffektes, die zunehmende Abhängigkeit der Kinder von verlässlichen, wohlwollenden und liebevollen erwachsenen Bezugspersonen in einer rasant komplexer werdenden Welt.
Die spezifische Beschaffenheit des Mediums zwang uns zu weitreichenden darstellerischen Vereinfachungen der mitunter komplexen Motive, die dadurch erzielte optische Wirkung kann wohl am Treffendsten als Verpixelung der Bildinhalte beschrieben werden. Indem wir also auf Motive zurückgreifen, die nicht unbedingt als kindgerecht gelten, gelang es uns die vermeintlichen Nachteile des Mediums zweckdienlich einzusetzen. Vulgäre, oder bspw. Gewaltdarstellungen konnten wir somit „zensieren“, obgleich die Bildinhalte mit etwas Phantasie durchaus erkannt werden können. Wir machten also aus der Not eine Tugend.
Darüber hinaus konnten wir durch die verfremdeten Darstellungen der Motive einerseits eine gewisse Mystifizierung, bzw. eine Befreiung, oder Abstraktion von der Gegenständlichkeit, erzielen. Andererseits integrierten wir dadurch ein partizipatives Moment, da es an den RezipientInnen liegt die tatsächlichen Bildinhalte zu erschließen.
Um den BetrachterInnen eine Möglichkeit zu geben, ihre Interpretationen der verfremdeten Abbildungen auch selbstständig zu überprüfen sind wir auf die Technologie der QR Codes zurückgegriffen. Das Scannen der QR Codes ermöglicht es die analogen Bügelperlenbilder mit den originalen (unverpixelten) Abbildungen zu verknüpfen.

 

Winter 2019/2020